AMUROST hilft: Aufmerksamkeit, Solidarität und Beratung für die Ukraine und alle Engagierten.

Der Überfall auf die Ukraine ist auch ein Angriff auf unsere europäischen und demokratischen Werte. Der Krieg ist eine Zäsur für unsere internationale Ordnung und die freie Welt. Er betrifft und berührt uns aber nicht nur geopolitisch, und in unserem Netzwerk auch professionell, sondern trifft uns auch persönlich.

Zahlreiche Studierende und Alumni des Elitestudiengangs Osteuropastudien stammen aus der Ukraine oder haben Familie und Freunde vor Ort. Anstatt in eine Schockstarre zu verfallen, organisierten wir uns und versuchen nun mit all unseren Möglichkeiten den Menschen in der Ukraine und auf der Flucht zu helfen: Studierende, die 2015 in der Flüchtlingshilfe aktiv waren reaktivierten ihre Netzwerke. Unsere Alumni mit Russisch- und Ukrainisch-Kenntnissen organisierten sich in Dolmetscher-Netzwerken. Der AMUROST-Vorstand knüpfte Kontakt zur Landeshauptstadt München (Teilnahme am Runden Tisch des Partnerschaftsnetzwerks München-Kyjiw), und weiteren Landes- und Bundesbehörden.

Außerdem starteten wir einen europaweiten Solidaritäts- und Hilfeaufruf mit unseren Partnerorganisationen, in dem wir auch primär auf die humanitäre Hilfe von Libereco verweisen – einer deutsch-schweizerischen NGO geleitet von unserem Alumni Marco Fieber.

Seit Invasionsbeginn beteiligen wir uns auch verstärkt an der Organisation von Online-Infoveranstaltungen und Demonstrationen, wo wir unseren Aufruf und das Angebot lokale NGOs und Initiativen zu beraten und zu unterstützen präsentieren, u.a. mit unseren Partnern der Lawyers Without Borders der LMU München und der Students for Ukraine Munich.

Mit Blick auf die humanitäre Lage und die flüchtenden Frauen und Kinder kontaktierten wir ZONTA München II.  Zonta ist ein internationales Frauennetzwerk, dass soziale Projekte zur Frauen- und Demokratieförderung finanziell und organisatorisch unterstützt. Bei der monatlichen Mitgliederversammlung am 14.03.2022 durften unsere Vereinsmitgliederinnen Beate Winterer (Referentin für Öffentlichkeitsarbeit und Community Management, APB Tutzing) und Sophie Harper (Bezirksrätin im Oberbayerischen Bezirkstag) unsere Initiative vorstellen. Beate hielt einen Kurzvortrag über Nation-Building in der Ukraine und die Geschichte ihrer Unabhängigkeitsbewegung.

Die Spendenaktion wurde sehr gut angenommen und die ersten Kontakte zur Vermittlung von Wohnungen und Rechtsbeistand geknüpft.

Zonta Club München II Präsidentin Sabine Zaplin und unsere Alumnae Sophie Harper und Beate Winterer (v.l.)

Wir danken Zonta München II für die Einladung, Spenden und Vernetzungsangebote!

AMUROST teilt weiterhin gerne seine Kontakte und unterstützt ehrenamtlich NGOs, Initiativen und den öffentlichen Sektor mit unserer Fachexpertise zu Mittel-, Ost- und Südosteuropa. Wenn Sie Kontakt zu uns aufnehmen möchten, wenden Sie sich bitte direkt an unseren Vorstand unter vorstand@amurost.org

Die Deutungshoheit brechen: Appell für eine neue Informationspolitik.

Die Russische Föderation hat die Ukraine, ihr Nachbarland, in einem brutalen und andauernden Angriffskrieg überfallen. Die bundesrepublikanische Politik reagierte auf diese Zäsur mit einer 180-Grad-Wende: Die bisher vorherrschende Naivität gegenüber Russland gehört nun der Vergangenheit an. Den Richtungswechsel kündigte der Kanzler in einer Regierungserklärung am fünften Tag des russischen Überfalls an. Scholz‘ Ausspruch, dieser Krieg sei Putins Krieg, wird in seiner Prägnanz vielen BundesbürgerInnen im Gedächtnis bleiben.

Die Kernaussage dieser Feststellung ist zum einen, dass die Ukraine absolut keine Schuld am Ausbruch der Gewalt trägt. Zum andern nimmt die Position des Kanzlers die russische Bevölkerung aus der Verantwortung. Scholz bekräftigte die Position, dass „Putin, nicht das russische Volk […] sich für den Krieg entschieden“ hat. Auch Wolfgang Kubicki [FDP], der Vizepräsident des Parlaments behauptete, dass „eben nicht das russische Volk“ Krieg mit der Ukraine führe.

Doch welche Haltungen nehmen die Russinnen und Russen gegenüber Putins Krieg ein? Umfragen lassen vermuten, dass die russische Bevölkerung den Krieg keineswegs geschlossen ablehnt. Agiert der russische Präsident tatsächlich ohne die Unterstützung der Bevölkerung?

Eines ist sicher: Einen gesamtgesellschaftlichen Konsens, wie bei der Annexion der Krim 2014, als Putins Beliebtheit in Umfragen Höchstwerte erreichte, gibt es nicht. Dies heißt jedoch nicht, dass die Mehrheit der Bevölkerung gegen den Krieg ist. In den Letzten Jahren sah ein Großteil der Bevölkerung die Verantwortung für den Krieg in der Ukraine eindeutig beim Westen. Die Anerkennung der sogenannten „Volksrepubliken“ DNR und LNR in der Ostukraine wurde in Umfragen des unabhängigen Levada Instituts von etwa 40 Prozent der Befragten abgelehnt, während ungefähr 45 Prozent der UmfrageteilnehmerInnen den ersten Schritt in den offenen Angriffskrieg guthießen.

Das entscheidende Kriterium für die Haltung der Russinnen und Russen gegenüber dem Angriff auf die Ukraine ist das „Framing“ der militärischen Gewalt. Wird in Umfragen darauf hingewiesen, dass die Separatisten um Hilfe gegen die ukrainische Aggression baten, steigt die Zustimmung für ein militärisches Engagement bis auf 70 Prozent. Der Narrativ, man müsse die russischsprachige Bevölkerung gegen Feinde von außen schützen, ist der Kern der Rechtfertigungsstrategie des Kremls. Viele Russinnen und Russen konsumieren hauptsächlich staatliche und staatsnahe Medien. Die russischen Streitkräfte werden dort konsequent als Befreier ihrer von Faschisten und Nationalisten unterdrückten Landsleute dargestellt.

Aus der deutschen Perspektive mag dieses Argument bizarr anmuten, doch in Russland klingt es an. Im vom Kreml gesteuerte medialen Kosmos wird seit 2014 die Erzählung entwickelt, dass Rechtsradikale in der ukrainischen Armee und Regierung Verbrechen gegen die große russischsprachige Minderheit in der Ukraine planen, im Internet und in privaten Chats kursieren zahlreiche angebliche Beweise für diese Behauptung.

Für die russische Regierung wäre es unmöglich, die ukrainische Nation an sich zu Feinden zu erklären, zu eng sind dafür die kulturellen, sprachlichen und familiären Verbindungen zwischen Russland und der Ukraine. Deshalb wird der Krieg als militärische Operation beschrieben, die bedrängte Russen vor der fanatischen Regierung in Kiew retten soll.  Diese Erzählung soll auch Erinnerungen an ein zentrales Motiv der nationalen Identität, den siegreichen Kampf der Sowjetunion gegen das Dritte Reich, erwecken.

Ein Blick in russische soziale Netzwerke zeigt, dass die „humanitäre“ Argumentation eine große Wirkung entfaltet. Wo immer sich im russischsprachigen Internet Menschen gegen den Krieg aussprechen, finden sich auch relativierende Kommentare. Mit erstaunlicher Regelmäßigkeit, was auch ein Hinweis auf den Einsatz von Bots sein kann, greifen diese Rechtfertigungen des Überfalls auf die Ukraine dabei auf eine zynische Rhetorik zurück: Den Kriegsgegnern wird Doppelmoral unterstellt. Während sie acht Jahre lang die angebliche Gewalt gegen ethnische RussInnen in der Ukraine ignoriert hätten, so lautet der Vorwurf, seien sie nun nur deshalb gegen den Krieg, da sie aufgrund der Sanktionen keine westlichen Luxuswaren mehr erwerben können.

Für den Kreml ist es von elementarer Bedeutung, die eigenen Anhänger vor der Realität des eskalierenden Krieges in der Ukraine abzuschirmen. Niemand soll erfahren, dass es in der Ukraine gar keine humanitäre Operation gibt. Wer den Überfall als Krieg, Invasion oder Angriff bezeichnet, kann mit bis zu 15 Jahren Gefängnis bestraft werden. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis auch die letzten unabhängigen Medien, wie beispielsweise die Novaya Gaseta zensiert werden. Der Privatsender Doschd wurde verboten und dem letzten freien Radiosender Echo Moskwy wurde die Sendeerlaubnis entzogen. Die Journalisten von Echo Moskwy hatten eine rote Linie überschritten, als sie ukrainischen Experten die Möglichkeit boten, über die Gräuel des Krieges zu sprechen. Fortgeschrittene Analyse- und Überwachungssysteme erlauben es der russischen Regierung zudem, gezielt unliebsame Inhalte in den noch frei zugänglichen sozialen Netzwerken zu identifizieren und zu sperren, oder Teile des Internets abzuschalten oder zu verlangsamen.

Für die weitere Entwicklung in Russland ist es entscheidend, ob die Bevölkerung die Wahrheit über den Krieg erfährt. Bilder der Körper der gefallenen Soldaten, der Tränen der trauernden Mütter und der brennenden Wohnblöcke könnten Putins Illusion zertrümmern. Von der Frage, inwiefern die Regierung ihre momentane Deutungshoheit behaupten kann, hängt es ab, ob sich der Protest gegen den Krieg zu einer ernsthaften Gefahr für Putins Machtmonopol entwickeln kann oder nicht.

Die Bundesregierung und ihre Verbündeten sollten sich nicht einfach darauf verlassen, dass das russische Volk sich von selbst gegen den Krieg positioniert. Die Russinnen und Russen werden von ihrer Regierung belogen. Je mehr Söhne, Väter und Onkel im illegitimenAngriffskrieg fallen, desto offensichtlicher wird diese Lüge. Doch darauf sollte der Westen nicht warten. Eine „neue Ostpolitik“ sollte nicht nur die militärischen Kapazitäten zur Abschreckung erhöhen, sondern muss auch die Informationspolitik weiterentwickeln. Neben der Spaltung der russischen Eliten durch die Sanktionen, ist öffentlicher Protest in Russland der plausibelste Weg zur Beendigung der Kämpfe. Der Westen sollte an die Tradition des Radiosenders Radio Liberty, der während des Kalten Krieges in der Sowjetunion sendete, anknüpfen.

Die Hauptaufgabe der neuen Informationspolitik sollte es sein, die Realität des Krieges sichtbar zu machen. Die ukrainische Regierung wendet sich direkt an die russischen Mütter gefallener und gefangengenommener Soldaten. Diese Initiative gibt die Stoßrichtung für eine neue Informationspolitik vor. Eine zweite Argumentationslinie sollte betonen, dass die Ukrainer sich geschlossen gegen die Invasion wehren, und dass die russischsprachige Bevölkerung die Okkupatoren genauso bekämpft, wie ihre ukrainischsprachigen Landsmänner- und Frauen. Die mehrheitlich russischsprachige Millionenstadt Charkiw leistet seit Wochen erbitterten Widerstand, das Leid der Zivilbevölkerung dort ist unvorstellbar.

Schlussendlich ist es zentral, zu vermitteln, dass weder die ukrainische noch die deutsche Regierung die russische Bevölkerung für den Krieg verantwortlich macht. Scholz sollte seine Rede über Putins Krieg auch an ein Publikum in Russland richten. Die Bundesregierung sollte möglichst schnell damit beginnen, erhebliche Mittel in die Entwicklung und Implementierung einer neuen kommunikativen Strategie zu investieren, die an die medialen und politischen Rahmenbedingungen des derzeitigen Konfliktes angepasst ist.                                                                                                                                                              

Student and Alumni Associations of Europe on the Russian War of Aggression against Ukraine. Call for Help and Solidarity with our Ukrainian Friends.

On 24.02.2022, Russia launched a war of aggression on neighbouring Ukraine – a free and democratic state of Europe. The invasion brings immeasurable suffering to a country that has already been painfully suffering for eight years from the consequences of the illegal annexation of Crimea and the war in the Donbas.

At the same time, it is an attack on the fundamental values of Europe, the United Nations, and a massive breach of international law. The renunciation of violence and the preservation of Ukraine’s territorial integrity and sovereignty have been broken by Russia.

As students, alumni, young scholars, and Europeans, strongly condemn the actions of the Russian Federation and strongly support our friends and neighbours in Ukraine.

The Ukrainian as well as the Russian civil society did not want this war and did not trigger it. However, the people are the greatest victims of this disastrous decision by President Putin based on his neo-imperialist aspirations and instrumentalised history.

We therefore stand in solidarity with the Ukrainian people and with all citizens throughout Europe and in Russia who stand up for peace, freedom, and equality. We also express our united solidarity with our fellow students and scholars in Ukraine and stand ready to support them. We call on all committed young Europeans to help Ukraine in this difficult situation.

The following organisations and agencies can provide direct and immediate help on the ground or to the people fleeing. We – as signatories of this call and representatives of students and alumni across Europe – support these NGOs and initiatives and kindly ask you to contribute as well. Please feel free to share and raise awareness.

Where can I help

Emergency Aid Ukraine Libereco Partnership for Human Rights e.V. and Vostok SOS

Libereco
IBAN: DE96 8309 4495 0003 3203 32
BIC: GENO DE F1 ETK

Libereco website
Aid to the most vulnerable: Polish Humanitarian Action

Alior Bank S.A.
IBAN: PL87 2490 0005 0000 4600 6277 7551
SWIFT CODE: ALBPPLPW

PAH website
Aid for Ukrainian civilians: Revived Soldiers Ukraine

Donate (paypal.com)
RSU website
Donations for the Ukrainian Armed Forces: National Bank of Ukraine

BENEFICIARY: National Bank of Ukraine
BENEFICIARY’S ACCOUNT: UA843000010000000047330992708
BENEFICIARY’S BANK: National Bank of Ukraine

CORRESPONDENT ACCOUNT: IBAN DE05504000005040040066
CORRESPONDENT BANK: DEUTSCHE BUNDESBANK, Frankfurt
SWIFT CODE: MARKDEFF

NBU Website
Direct help on the frontline: Hospitallers
 
4149629301181756 – PrivatBank, Elena Gerasimyuk
IBAN: UA543282090000026203800140465 

More information
Help for traumatised children: Voices of Children

Account in the correspondent bank: 400886700401
SWIFT Code of the correspondent bank COBADEFF
Correspondent bank Commerzbank AG, Frankfurt am Main, Germany
 
VoC website
Alliance Queer Emergency Ukraine Fundraising Campaign
 
Direct transfer
Pay-Pal (Conrad Breyer)

Signed


Philipp Bittner, Chair of AMUROST e.V.
Camilla Lopez, Board Member of AMUROST e.V.
Paul Primbs, Board Member of AMUROST e.V.
Philine Kieslich, Board Member of LMU Munich Lawyers Without Borders
Matthias Melcher, Co-Chair Junge DGO Regional Group Munich
Mareike zum Felde, Co-Chair Junge DGO Regional Group Bremen
Caroline Finkelday, Co-Chair Junge DGO Regional Group Bremen
Lone Grotheer, Board Member of FZS e.V.
Valentina Gilardoni, President of MAiA – MIREES Alumni International Association
Paulina Gurgul, President of Collegium Invisibile
Horia-Șerban Onița, President of The National Alliance of Student Organisations in Romania
Anna Lanina, President of The Polish Forum of Young Diplomats
Justin Patrick, President of The International Association for Political Science Students
Nikolai Ott, Co-Founder and Editor of Keep It Liberal
Sarah Grandke, Neuengamme Concentration Camp Memorial / denk.mal Hannoversche Bahnhof
Hamburg

Das „Imperium Russland“

Die Weltordnung des 21. Jahrhunderts ist ein Siegeszug des Modells „Nationalstaat“, gebaut auf den Scherben der großen europäischen Imperien. Doch wie sieht es mit heutigen Großmächten aus. Sind die USA, Russland oder China eine gänzlich neue Form von Imperien? Oder streben letztere viel mehr wieder nach „alter imperialer Größe“?

In seinem Artikel „Großmachtlos“ geht der Konstanzer Osteuropa-Historiker Jürgen Osterhammel dem Niedergang europäischer imperialer Konstrukte vergleichend nach, um mit Bezug auf das heutige Russland  zu schließen:

Nicht zufällig ist eine hysterisch beschworene „Größe“ zum Leitwert der [russischen] Politik geworden. Eine vielfache Degradierung solchen Ausmaßes auf der Skala der internationalen Hierarchie war mit keinem anderen Dekolonisationsprozess des 20. Jahrhunderts verbunden. Auffangstrukturen wurden in den entscheidenden Neunzigerjahren nicht geschaffen. Die „Sieger im Kalten Krieg“ feierten sich zu laut.

Jürgen Osterhammel, „Großmachtlos“ am 07.12.2016 in der Süddeutschen Zeitung

In seiner Replik „Sonder-Wegelagerer“ , die ein Monat später bei derselben Zeitung erschien, antwortet der Münchner Historiker Martin Schulze Wessel konkret auf diesen Satz Osterhammels und widerspricht vehement:

Die Gegenargumente liegen auf der Hand: Keine andere Großmacht konnte sich nach dem Zerfall ihres Herrschaftsbereichs der fortdauernden Achtung durch andere Mächte so sicher sein wie Russland mit seinem Atomwaffenarsenal und seinem Sitz im UN-Sicherheitsrat. Die Nato hat kooperative Strukturen mit Russland aufgebaut, US-Truppen wurden aus Europa abgezogen.

Martin Schulze Wessel, „Sonder-Wegelagerer“ am 16.01.2016 in der Süddeutschen Zeitung

Lesenswert macht Schulze Wessels Beitrag besonders auch die vertiefte Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von „Nationalstaat“ und „Imperium“. Er erkennt sie als Idealtypen, die für das imperiale Russland nicht als strenge Dichotomien gesehen werden dürfen:

Anders als die westlichen Kolonialreiche war das imperiale Zentrum in Russland nicht durch Ozeane von den imperialen Peripherien getrennt. Wo das Kernland endete und wo die koloniale Peripherie begann, war nicht einfach zu bestimmen und unterlag dem historischen Wandel.

Martin Schulze Wessel, „Sonder-Wegelagerer“ am 16.01.2017 in der Süddeutschen Zeitung

So entwickelten sich ab den 1840er Jahren sowohl das russische wie auch das ukrainische Nationsprojekte innerhalb des von Russland beherrschten Imperiums. Die Gleichzeitigkeit von Nationalisierung und Kolonialisierung des Zarenreiches ist nach Schulze Wessel während der Sowjetunion „eher überdeckt als gelöst“ worden und „erklärt die Probleme der russischen Politik und Öffentlichkeit heute“:

Das postsowjetische Russland hat sich ebenso leicht wie die einstigen westeuropäischen Imperien von seinen als kolonial betrachteten Besitzungen etwa in Zentralasien getrennt. Es bleibt für Russland schwierig, die Eigenstaatlichkeit und territoriale Integrität der Ukraine zu akzeptieren. Doch ist dies kein postkoloniales Erbe, sondern ein Problem der nationalen Selbstfindung Russlands.

Martin Schulze Wessel, „Sonder-Wegelagerer“ am 16.01.2017 in der Süddeutschen Zeitung

Der historische Rückblick auf den russischen Nationalismus und das russländische Imperium bringt eine spannende Perspektive nicht nur für den Ukraine-Konflikt, sondern ganz allgemein für das Selbstverständnis Russlands unter Putin:

Seit Russland die Krim annektiert hat, im Donbass Krieg gegen die Ukraine führt und auch im Westen eine kaum verhüllte Einflusspolitik betreibt, stellt sich die Frage nach den Herrschaftsformen des Imperiums nicht nur nostalgisch.

Martin Schulze Wessel, „Sonder-Wegelagerer“ am 16.01.2017 in der Süddeutschen Zeitung

Die beiden kurz vorgestellten Artikel sind treffliche Beispiele dafür, wie eine historische Perspektive den kritischen Blick auf aktuelles Tagesgeschehen schärft, oder gar erst möglich macht. Eine spannende Lektüre!