„Orbáns Ethnisierung des Bildungswesens“

Orbáns Ethnisierung des Bildungswesens – unter diesem Titel nimmt Prof. Martin Schulze Wessel der Ludwig-Maximilians-Universität München in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Stellung zur Änderung des ungarischen Hochschulgesetzes und schreibt:

Die Central European University in Budapest gehört zu den erfolgreichsten in Europa. Jetzt will die Regierung von Viktor Orbán diesem Leuchtturm das Licht ausknipsen.

Dass es mit der Gesetzesänderung mitnichten „nur um eine neue Regulierung im Verhältnis zwischen dem Staat und seinen Universitäten geht“ arbeitet Schulze Wessel präzise heraus und findet klare Worte: „Es geht um blanken Hass“.

Auf die Bedeutung der CEU, die weit über ihre Leistung als hochangesehene Universität hinausgeht, hat auch der mit Ungarn vertraute Nachwuchshistoriker Max Trecker hingewiesen. Prof. Schulze Wessel bekräftigt diese Sicht und führt aus:

Hier saßen auch in den neunziger Jahren während der postjugoslawischen Kriege serbische, kroatische und bosnische Studenten in einem Seminarraum zusammen, hier diskutieren heute auch nach Russlands Annexion der Krim noch ukrainische und russische Studenten miteinander

Die drohende Schließung der CEU hat das Potential zu einer „Blaupause für Nationalisten in den Nachbarstaaten“ zu werden, ein „Dammbruch, der die Bildungslandschaft in ganz Ostmitteleuropa verändern wird“.

Die Ethnisierung des Bildungswesens ist aus der Sicht der Fidesz-Partei und der Nationalisten in Ungarns Nachbarstaaten die notwendige Vollendung ihrer populistisch-autoritären Regierungsweise

Und damit wird aus der ungarischen Hochschulgesetzgebung eine Gefahr für das demokratische Klima nicht nur Mitteleuropas, sondern der gesamten europäischen Gemeinschaft. Höchste Zeit also, dass die Vorgänge in Budapest auch ausserhalb der wissenschaftlichen Gemeinde die Aufmerksamkeit erfahren, die sie verdienen.

 

Nachtrag: Prof. Schulze Wessel spricht auch in einem Interview auf 3sat  über die Schließung der CEU in Budapest.

#IstandwithCEU – #aCEUvalvagyok

We stand with CEU – aus folgenden Gründen:

Die geplante Hochschulgesetzgebung der Regierung Orbán richtet sich unmissverständlich gegen die 1991 gegründete Central European University (CEU). Die CEU hat sich in den mehr als zwei Jahrzehnten ihrer Existenz zu einer der besten und zu Recht prestigeträchtigsten Universitäten Mitteleuropas entwickelt. Die Studierenden stammen aus weit über 100 verschiedenen Nationen, der Großteil aus dem östlichen Europa. Wie keine andere Universität steht sie für den europäischen Geist.

Während des Bürgerkrieges im ehemaligen Jugoslawien haben Studierende aus Serbien, Bosnien und Kroatien gleichermaßen Seite an Seite an der CEU studiert und im gemeinsamen Dialog daran gearbeitet, Differenzen zu überwinden und an einer besseren Zukunft nach dem Ende des Krieges zu arbeiten. Heute studieren junge Menschen aus der Ukraine und der Russischen Föderation gleichermaßen an der CEU, trotz des Krieges in der Ost-Ukraine. Die CEU leistet einen wichtigen Beitrag, um eine europäisch orientierte Jugend im östlichen Europa auszubilden.

Die Auswirkungen ihrer Schließung werden weit über Ungarn oder Mitteleuropa hinaus spürbar sein. Die CEU ist ein geschätzter und wichtiger Partner der LMU München und der Universität Regensburg. Die mit viel Mühe aufgebaute Infrastruktur und Expertise zum östlichen Europa an den Standorten München und Regensburg steht und fällt mit ihren europäischen Kooperationspartnern und dem gegenseitigen Austausch.

Als Absolventen des bayerischen Elitestudiengangs Osteuropastudien und der Graduiertenschule für Ost- und Südosteuropastudien durften wir von diesem Austausch profitieren und setzen uns entschieden dafür ein, dass diese Möglichkeit auch künftigen Generationen europäischer Studierender offensteht.

Wir sehen einen besorgniserregenden Zusammenhang zwischen den Ereignissen in Ungarn und der geplanten Schließung der European University in Sankt Petersburg. Es handelt sich hier um einen politischen Lernprozess von Teilen der ungarischen Regierung, den wir als äußerst gefährlich und gegen die Idee Europas gerichtet erachten.

Wir haben wenig Hoffnung, die Ereignisse in der Russischen Föderation zu beeinflussen. Wir hoffen jedoch, dass eine solche Möglichkeit bei dem EU-Mitglied Ungarn besteht, das sich den europäischen Werten wie Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit verpflichtet hat. Wir begrüßen daher die massiven Solidaritätskundgebungen von Akteuren aus der Zivilgesellschaft, dem Hochschulwesen und der Politik sowohl aus Ungarn selbst als auch von außerhalb Ungarns.

 

Steiner Fabian                         Max Trecker                  Matthias Golbeck

Vorstandsvorsitzender          Vorstandsmitglied       Vorstandsmitglied

 

Update: Angesichts der „nervösen Spannung“ (Spiegel) hat die Regierung Orbán das umstrittene Gesetz heute 5.4.2017 am frühen Nachmittag in drei Stunden durchs Parlament gebracht.